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  • Writer's pictureMarkus Brandstetter

Sven Regener (Interview): "Trompete habe ich gelernt, um Jazzmusik machen zu können."

Updated: May 9, 2021


Sven Regener mit Trompete
(c) imago/POP-Eye

Sven Regener hat ein Jazzalbum gemacht — ohne Gesang, dafür mit Trompete und in Trio-Besetzung. Hyperlocrian.com bat den Musiker und Autor zum Gespräch.

Nicht, dass bei Sven Regener die alte Liebe zur Trompete über die Jahre gerostet wäre. Das Blasinstrument kommt schließlich bei Regeners Hauptband Element of Crime regelmäßig zum Einsatz — meist nur als kurzes Intermezzo, als gelegentliche Klangfarbe oder für ein paar Takte Solo, manchmal aber durchaus als charakteristischer Baustein.


Irgendwann hatte der Musiker und Autor dann aber doch Lust, das Trompetenspiel wieder mehr in den Vordergrund zu stellen und seine Liebe zum Jazz wiederaufflammen zu lassen. Das tat er gemeinsam mit Richard Pappik am Schlagzeug und Ekki Busch am Piano, beide allseits bekannte Protagonisten: Pappik ist Schlagzeuger bei Element of Crime, Busch als Akkordeonist immer wieder als Gast bei der Band dabei.


"Ask Me Now" heißt das Album, auf dem sich Regener Pappik Busch — so der Name des Trios — Jazz-Klassiker vorgeknöpft haben. Darauf zu hören sind unter anderem Stücke von Thelonious Monk, Charlie Parker, Dizzy Gillespie oder Billie Holiday. Allesamt kurz, knackig, mit hörbarer Spielfreude und ohne ausufernde Improvisationen. Regener und seine Kollegen verneigen sich vor den Stücken — und haben hörbaren Spaß dabei.


 

Herr Regener, wie sind Sie im Alter von 15 Jahren eigentlich zur Trompete gekommen?


Ich habe mit zehn Jahren angefangen Gitarre zu spielen. Ich wollte aber immer auch Trompete spielen, weil ich den Sound des Instruments so toll fand und schon früh ein großer Jazz-Fan war. Ich habe heimlich Geld für eine Trompete gespart und dann mit fünfzehn Jahren Unterricht genommen — bei einem Bremer Trompeter namens Eckfrid von Knobelsdorff. Ein ganz wunderbarer Musiker, der leider nicht mehr lebt.


Wie sah der Unterricht bei ihm aus? Man ging einfach hin und spielte. Dann sagte er einem, was man auschecken oder worauf man achten sollte. Etwas später ging es dann konkret um Jazz, um das Real Book. Wir machten auch viele Übungen, es war ganz normaler — aber eben mit einem Jazz-Einschlag. Das war von mir auch so gewollt. Ich habe ihn kennengelernt, als ich auf einen Volkshochschulkurs ging. Er unterrichtete dort einen Kurs über die Geschichte des Jazz. Ich wusste, dass er Trompeter ist, also ging ich zu ihm hin und fragte ihn, ob er mir nicht Stunden geben würde.


Welche Musiker inspirierten Sie damals zum Trompete spielen? Damals war für mich Louis Armstrong der Größte. Mein Vater hörte ihn immer. Ich fand seine Art, Trompete zu spielen, unglaublich toll und mochte den Sound wahnsinnig gerne. Was mich auch sehr beeinflusst hat war mexikanische Musik, in der die Trompete ja eine große Rolle spielt. Auch in der Kombination mit Geigen — oft in Terzen, im Duo. Das fand ich einfach toll. Mexikanische Musik und Louis Armstrong, das war als Kind ein großer Einfluss. Später kamen natürlich auch Miles Davis dazu, Chet Baker, Dizzy Gillespie, die üblichen Verdächtigen. Als ich als junger Erwachsener, so mit 20, in der Berliner Band Zatopek spielte, eine sehr jazzaffine Band, da war Lester Bowie ein großer Einfluss, Archie Shepp ebenfalls — auch wenn der ein Saxophonist war. Nicht zu vergessen Thelonious Monk natürlich und Sun Ra.


Bei Element of Crime kommt die Trompete ja eher als Sahnehäubchen auf der Torte vor. Wann kam denn der Wunsch auf, sie in den Mittelpunkt zu rücken?


Es gibt bei Element of Crime schon Stücke, in denen die Trompete sehr wichtig ist — zum Beispiel bei Songs wie "Don’t You Smile". Es gibt immer wieder mal Lieder, in denen ich ein Trompetensolo spiele wie bei "Am ersten Sonntag nach dem Weltuntergang". Es kommt schon immer mal vor, dass ich über ein paar Akkorde, ein paar Take Soli spiele. Diese Entstehung des neuen Albums beruht auf zwei Dingen: Ich wollte erstens wieder einen Zugang zur Jazzmusik finden, weil ich das Gefühl hatte, dass der doch arg verschüttet war bei mir. Und zum anderen wollte ich wieder mehr Trompete spielen.



Das Projekt begann ja als Duo, das Schlagzeug kam dann später dazu.


Ja, ich habe erstmal Ekki Busch gefragt. Ekki spielt bei Element of Crime ja immer wieder mal Akkordeon und ich wusste, dass er auch ein sehr guter Pianist ist. Da dachte ich mir, ich frage ihn, ob er nicht Klavier spielen will und ob wir es nicht zusammen mit Jazzmusik probieren wollen. Wir hatten beide das Gefühl, dass wir einen Schlagzeuger brauchen. Da war Richard Pappik natürlich die erste Wahl.


Wann kam die Sache eigentlich zustande?


Dass ich mich wieder mehr mit Jazz und der Trompete beschäftigt habe, passierte so um 2012, 2013 herum. Mit Ekki begann ich im Frühjahr 2019 zu spielen, Richard Pappik kam dann im Sommer 2019 dazu. Wir sind dann durch den ersten Lockdown etwas ausgebremst worden. Wir wollten eigentlich ein bisschen live spielen bevor wir die Platte aufnehmen, aber das ging ja nicht.


Wie sah denn dieses Wieder-mit-dem-Jazz-beschäftigen aus? Real Book raus und in der Plattensammlung wühlen?


Einfach nur Real Book raus, die Stücke spielen und probieren, was so geht. Man kann sich die Akkorde dazu ja auch vorstellen. Ich spiele ja sowieso jeden Tag Trompete, schon allein um den Ansatz zu halten. Es ist ja egal, ob ich bei Element of Crime wenig oder viel spiele: Ohne Ansatz geht es nicht. Das ist durchaus anspruchsvoll als Trompeter, weil ich auf den Punkt da sein muss. Ohne jeden Übergang, direkt rein … das muss alles sofort sitzen. Deswegen übe ich viel — und ich übe eben gerne Jazzstücke. Einerseits, weil das sehr gut zum Üben ist, andererseits, weil man sich so in diese Welt der Harmonik und Melodik wieder reindenkt, sich einfühlen und andocken kann.


 

"Ich bin ein Freund der sehr kompakten Form"


Weil sie gerade vom stetigen Üben sprachen: Wie sieht denn ihre Übungsroutine aus?


Ganz einfach: Ich habe eine Kabine zuhause, da gehe ich rein und spiele.


Lassen Sie's mich genauer wissen: Üben Sie eher Songs, machen Sie technische Übungen? Alles. Technische Übungen gibt es natürlich auch, aber das ist geistlos und fad. Das ist wie wenn Sportler Aufwärmübungen machen, aber es ist nicht das Gleiche wie Fußballspielen. Die Kombination macht's aus.

Es gibt ja viele Leute, die es hassen, Skalen zu üben.

Niemand mag das. Das ist ja auch fad, aber manchmal muss man es auch tun. Es hat viel mit Selbstdisziplin zu tun. Manchmal muss man so etwas üben, sonst verschlampt die Technik zu sehr. Aber man darf sich auch nicht zu sehr davon beeinflussen lassen. Handwerk ist ja auch nicht alles. Wenn man technische Perfektion will, sollte man sich ein japanisches Auto oder eine Schweizer Uhr kaufen. In der Kunst hat das nicht den obersten Stellenwert, aber manchmal sollte man es auch tun.


Ich finde, dass Skalen üben etwas sehr Entspannendes, nahezu Meditatives hat. Ich finde das eigentlich oft sogar ziemlich kurzweilig.

Das hängt auch immer ein bisschen vom Instrument ab. Bei der Trompete ist das ja alles eine Kraftgeschichte, man powert sich dabei aus, ich jedenfalls. Das ist bis zu einem gewissen Grad okay, aber irgendwann ist es auch mal gut. Manchmal reizt mich das aber sogar, das extra zu tun — weil es durch diesen Stumpfsinn tatsächlich etwas Meditatives hat. Das ist ja auch die Idee der Geistlosigkeit: dass man aus dem Nachdenken rauskommt. Das kann einem dabei passieren und das kann sehr befreiend sein.


Spielen Sie auch Jazz-Sessions? Früher, in den frühen 1980er-Jahren habe ich das gemacht. Heute nicht mehr. Ich bin ein Freund der sehr kompakten Form, alle in der Band sind das. Das merkt man der Platte auch an. Die Solo-Teile, die Improvisationen sind ja fast wie Miniaturen. Die Stücke sind sehr kompakt. Es geht vor allem darum, dass man in der Improvisation den Geist der Originalkomposition fortführt. Das war unser Ansatz. Das kommt natürlich aus der Welt, in der wir sonst musikalisch so unterwegs sind und das haben wir eben hier rein transportiert.



Wie kam es zu der Songauswahl?


Ich habe Stücke ausgewählt, die ich über die Jahre immer besonders gerne spielte. Stücke, die mir besonders gut gefielen. Die haben wir uns vorgenommen und darüber versucht, unseren Sound zu finden. Das ist ja das Wichtigste dabei: Seinen eigenen Zugang zu finden. Es war gar nicht die ursprüngliche Idee, eine Platte zu machen. Wir wollten einfach spielen, schauen, was passiert. Wir sind mit einem Repertoire von 40, 50 Stücken gestartet, sind dann mit 20 ins Studio gegangen und haben schlussendlich zwölf davon für das Album ausgewählt. Das ist auch der richtige Weg, glaube ich: Zu schauen, wo es am meisten Spaß macht.

Sie haben gesagt, dass Sie zu den Balladen am schnellsten einen Zugang fanden.


Balladen sind natürlich unser Brot und Butter, da konnten wir uns ganz leicht reinfühlen. Ein Stück wie "Don't Explain" könnten wir auch mit Element of Crime covern, das ist ja nichts, was völlig aus der Welt wäre. Element of Crime sind ja eine Band, die eher Balladen und langsame Stücke, maximal Mid-Tempo-Stücke schreibt. Die Herausforderung war es, Stücke wie "Cool Blues" oder "Bunko" zu spielen und zu sehen, wie man da die adäquate Art der Improvisation finden kann, um dem gerecht zu werden. Wie man in diese Art der Jazzmusik eintauchen kann. Jazzmusik sagt man so einfach, aber das ist in Wahrheit ein ganzer Kosmos, etwas, mit sehr vielen verschiedenen Winkeln und Welten, in den man gehen kann.

In welchen dieser Winkel fühlen Sie sich am meisten zu Hause?

Nun, es sind Stücke aus den 1940er-, 1950er- und 1960er-Jahren auf der Platte, die kommen uns entgegen, wie es scheint. Da finden wir auch einen eigenen Zugang, einen speziellen Sound. Warum das so ist, weiß ich nicht. Es gibt aber noch kein Muster, da müssten wir noch eine Platte machen, um das sagen zu können. Man sollte sich nicht zu früh selbst einschätzen, das bringt nicht viel.


Erzählen Sie doch etwas von den Aufnahmen.

Wir haben das Album live eingespielt. Wir nahmen im Tritonus Studio [in Berlin, Anm.] auf, weil die einen wunderschönen Flügel haben. Ein großer Glücksfall, weil er genau den Sound hatte, den wir uns vorgestellt hatten. Ekki Busch und Richard Pappik haben gemeinsam in einem Raum aufgenommen, ich in einer Kabine — weil die Trompete doch sehr viel lauter ist als der Rest. Wir haben einfach so lange gespielt, bis wir die wichtigen Versionen da hatten.


 

Korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege: Dizzy Gillespie ist der einzige Trompeter unter den Komponisten des Albums.


Das hat aber nichts zu bedeuten. Es ist ja auch keine Trompetenplatte in dem Sinne. Wir mussten keine Klassiker aus der Trompetenjazzgeschichte neu interpretieren. Es ging einfach um bestimmte Stücke in der Trio-Besetzung. Es ist nicht so wie bei James Last, "Trumpet a GoGo", wo sich alles um die Trompete drehen muss. Es geht um den Gesamtsound dieses Trios, um eine Hommage aus der Geschichte des Jazz und des Blues.

Sie schreiben an einem neuen Roman, "Glitterschnitter" — können Sie schon etwas darüber verraten?


Der Roman spielt Anfang der 1980er-Jahre und schließt an "Wiener Straße" an. Man muss nicht "Wiener Straße" gelesen haben, um ihn zu verstehen, aber er basiert darauf. Da liegen eine Menge Überraschungen in den Roman. Ich bin sehr zufrieden damit, aber viel mehr kann ich dazu noch nicht sagen. Ich bin auch noch gar nicht fertig, deswegen bin ich da ein wenig abergläubisch. Er erscheint dieses Jahr im September, da liegt noch eine Menge Arbeit vor mir, aber das wird klappen.


In ihrem neuen Podcast arbeiten Sie Ihre gesamte Bandgeschichte mit Element of Crime ab. Wie fühlt es sich an, so tief in der eigenen Biografie zu wühlen?

Es hat was von einer Therapiesitzung. Man kommt auf Sachen drauf, die man gar nicht gewusst hat oder die einem in dieser Schärfe nicht bewusst waren. Da kommen eine Menge Sachen hoch, das ist sehr interessant. Ich bekomme dadurch noch einmal einen ganz neuen Blick auf die Sache.

Sie sind ja auch Gitarrist —spielt Jazz in ihrem Spiel auch da eine Rolle?


Nein, damit habe ich nichts zu tun. Jazzmusik, zumindest jene zum Selberspielen: Das war für mich immer die Trompete. Gitarre bedeutet für mich Rockmusik und Folk. Das ist die Musik, die ich mit der Gitarre mache — hauptberuflich bei Element of Crime. Trompete habe ich gelernt, um Jazzmusik machen zu können.


 

"Ask Me Now" von Regener Pappik Busch erscheint am 5.3.2021 über Vertigo Berlin (Universal Music).

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